December 14, 2020

Können Kryptowährungen das Immobiliengeschäft revolutionieren?

IMMO’Magazin, Dezember 2020

Luzius Meisser im Interview mit Roland Vögele, CEO der MV Invest AG

Der Bündner Luzius Meisser (40) studierte an der ETH Informatik und lancierte anschliessend einen Cloudspeicherdienst. Nach Verkauf des Unternehmens an Seagate gründete er 2013 die Bitcoin Association Switzerland und absolvierte einen Master in Volkswirtschaft an der Universität Zürich. Er ist Verwaltungsratsmitglied und Investor in mehreren Schweizer Startups, Mitautor verschiedener wissenschaftlicher Publikationen und hat den Bundesrat bei der Ausarbeitung der kürzlich verabschiedeten Blockchain-Vorlage als externer Experte beraten. Sein neustes Startup heisst Aktionariat und verfolgt das Ziel, mittels Blockchain-Technologie einen Markt für die Aktien kleiner und mittelgrosser Schweizer Firmen zu schaffen.

Herr Meisser, Sie sind einer der wichtigsten Köpfe in der Krypto-Szene, wie sind Sie auf das Thema aufmerksam geworden?

Ich habe 2011 in einem Informatikforum zum ersten Mal über Bitcoin gelesen und war sofort fasziniert. Ein bis heute unbekannter und rätselhafter Erfinder hat auf originelle Weise eines der grossen Probleme der Computerwissenschaften gelöst und eine komplett dezentral organisierte Internetwährung geschaffen.

Der Bitcoin feierte Ende Oktober bereits sein zwölfjähriges Bestehen, wie hat sich die dahinterstehende Technologie seither entwickelt und wohin geht die Reise?

Zunächst ging es darum, Bitcoin und das zugrundeliegende Netzwerk stabiler zu machen. Später sind weitere Kryptowährungen und frei programmierbare Blockchains hinzugekommen. Das bekannteste System ist Ethereum, welches ich auch mit meiner Firma Aktionariat nutze. Die nächste grosse Herausforderung liegt nun darin, die Anzahl Transaktionen, die diese Systeme pro Tag verarbeiten können, stark zu erhöhen. Derzeit schafft Ethereum rund eine Million Transaktionen pro Tag. Das jedoch ist viel zu wenig, um das globale Finanzsystem zu konkurrieren. Leider geht die entsprechende Entwicklung aufgrund der hohen technischen Komplexität nicht so schnell voran, wie ich mir das wünschen würde.

Sie sind sehr präsent und standen diesbezüglich auch schon den Schweizer Behörden beratend zur Seite, wo findet sich die Schweiz auf dieser Landkarte wieder? Welche gesetzlichen Rahmenbedingungen braucht es hierzu?

Unser Parlament hat im Herbst 2020 ein Gesetzespaket verabschiedet, das eine sehr gute Grundlage schafft, die Blockchain-Technologie für den Wertschriftenhandel zu nutzen. Die EU hat ähnliche Pläne, hinkt aber mehrere Jahre hinterher. So sind die in der Schweiz geschaffenen gesetzlichen Grundlagen, im Vergleich zum gegenwärtigen europäischen Entwurf mit dem Titel «Pilot regime for DLT market infrastructures», wesentlich besser. Ich bin also sehr froh darüber, dass wir hier unsere eigenen Gesetze machen können und nicht dem EU-Recht unterliegen.

Die digitale Währung Bitcoin wurde auch schon für Immobilien Transaktion genutzt. Viele Akteuren sehen hier grössere Risiken und die Gefahr von Geldwäscherei, wie sehen Sie das?

In der Schweiz wird Bitcoin meines Wissens kaum für Geldwäscherei genutzt. Möglicherweise liegt das daran, dass wir im Vergleich zu anderen Ländern viel strengere Regeln haben. Das grösste Risiko im Kryptomarkt ist die hohe Volatilität der gehandelten «Coins». Der Markt ist geprägt von kurzfristiger Spekulation. Ich erwarte aber, dass die kurzfristig orientierten Anleger, die jeweils nur dem nächsten Hype nachjagen, früher oder später von langfristig orientierten Investoren verdrängt werden und der Markt insgesamt reifer wird. Wenn es soweit ist, werden wir vermehrt auch Blockchain-basierte Immobilienprodukte sehen. Bis dahin könnten aber noch ein paar Jahre vergehen.

Die Immobilienbranche macht sich schwer mit der Tokenisierung ihrer Assets. Das Projekt Swiss Real Coin wurde auf Eis gelegt und auch andere tun sich schwer Bewegung in den Markt zu bringen. Ist Ihre Welt nicht geeignet für Immobilien?

Rechtlich gesehen kann man eine Immobilie nicht direkt tokenisieren, denn ihre Übertragung erfolgt nicht digital, sondern über das Grundbuch. Und wenn man die Aktien der Gesellschaft tokenisiert, die die Immobilie besitzt, landet man im Geltungsbereich des Kollektivanlagegesetzes. Daran ist der Swiss Real Coin letztlich gescheitert. Möglicherweise gibt es aber Wege, es besser zu machen. Vielleicht wäre das ein Fall für die MV Invest? Es genügt aber nicht, die rechtlichen Hürden zu überwinden. Das Angebot muss auch wirtschaftlich überzeugen und den Wünschen der Anleger entsprechen.

Welche Hürden müssen überwunden werden, damit die Blockchain auch der Immobilienwirtschaft neue Möglichkeiten eröffnen kann?

Neben den rechtlichen Herausforderungen muss der Markt selbst auch reifer werden. Es braucht etablierte, sogenannte «Stable-coins», die beispielsweise an den Franken angebunden sind und die es erlauben, Transaktionen in traditionellen Währungen abzuwickeln. Ein Beispiel dafür ist der Cryptofranc, der von einer Tochterfirma von Bitcoin Suisse, an der ich beteiligt bin, herausgegeben wird. Der Bitcoin ist derzeit für Immobilientransaktionen nämlich zu volatil. Im Weiteren braucht es entsprechende Marktplätze und Blockchain-affine Investoren, die sich für Immobilien interessieren. Um dem Risikoappetit der heutigen Anleger im Kryptomarkt zu entsprechen, müssten tokenisierte Immobilienanlagen vermutlich einen starken Hebel beinhalten. Die Kryptoanleger suchen nämlich tendenziell hohe Renditen und sind bereit, dafür auch hohe Risiken in Kauf zu nehmen.

Die Gesellschaft und ihre Technologien entwickeln sich immer schneller, wo sehen Sie die Blockchain in 5 Jahren?

Meine Hoffnung ist, dass die Blockchain-Technologie die Entwicklung eines alternativen Finanzmarktes ermöglicht, der freier und transparenter ist als die bisherigen Märkte. Beispielsweise sind heute nur rund 230 der über 120′000 Schweizer Aktiengesellschaften an der Börse gehandelt. Ich glaube, es gibt Tausende von weiteren Firmen, deren Aktien von einem öffentlichen Markt profitieren würden. Diesen Markt möchte ich helfen aufzubauen.

Herr Meisser, vielen herzlichen Dank für die interessanten Einblicke und Ihre Einschätzungen zu Blockchain-basierten Anwendungsbereichen im Immobiliensektor. Der politische Wille ist also da, nun liegt es an den verschiedenen Akteuren, entsprechende Lösungen auszuarbeiten. Um Ihren Ball aufzunehmen, wer weiss, vielleicht werden wir mit der MV Invest auch einen Beitrag dazu leisten können, versuchen wir doch immer wieder neuen, innovative Lösungen für die Investoren und Anleger zu entwickeln. Es bleibt auf jeden Fall spannend und ich bin überzeugt, dass wir auch in Zukunft noch so einiges von Ihnen hören und lesen dürfen.

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